Fußballkarten für wichtige Spiele kosten leicht mehr als 100 Euro. Konzertkarten für Megastars wie Robbie Williams oder den Weinfan Pink auch. Und ein Paar Schuhe für wirklich anspruchsvolle Töchter kostet oft jenseits der 300 Euro. Aber ein Wein für 100 Euro pro Flasche? Da zucken sogar Leute mit richtig Geld in der Tasche zurück.
Ein wohlhabender Rechtsanwalt hat mir mal geschrieben, er gebe nicht mehr als 15 Euro für eine Flasche Wein aus. Da stellt sich die Frage: Lohnen sich Luxusweine? Und wenn ja, wie geht man damit um?
Klar, man kann sie zum Angeben einsetzen. Netter Abend bei einer Bekannten. Ein Gast, der offenkundig höchstes Interesse an ihr hat, bringt einen Super-Toskaner für 150 Euro die Flasche als Geschenk mit. Das schindet Eindruck. Ein Ornellaia für 300 Euro noch mehr. Schade nur, wenn die attraktive Gastgeberin den Wein einfach in halbwarmem Zustand am nächsten Abend gemeinsam mit einer Freundin öffnet und dann ins Glas gibt. Die Folge: Enttäuschung. Und das Zeugs soll so viel kosten?
Große Weine wollen richtig behandelt sein
Wir wenden uns heute mal bewusst nicht Bordeaux-Weinen zu, sondern bleiben bei Italienern. Die erfordern weniger Wissenschaft als Bordeaux. Auf dem Probiertisch steht der nagelneue Frescobaldi 2017 Luce, der jetzt erst auf den Markt kommt. Rund 100 Euro pro Flasche wird er kosten, in einer prächtigen Flasche, die signalisiert, was solche Weine sind – ein Kunstwerk. Die Rebsorten Sangiovese und Merlot auf Tenuta Luce im Südwesten von Montalcino werden nach wissenschaftlichen Aspekten bearbeitet. Ursprünglich war Luce ein Gemeinschaftsprojekt der Kalifornier unter Mondavi sowie der Marchesi Frescobaldi aus dem italienischen Hochadel. Der Luce kommt zunächst einmal für 30 Minuten kühl (ca. 15 Grad) in eine Karaffe.
Er muss atmen!
Regel Nummer eins: Große Weine müssen Sauerstoff atmen, um sich entfalten zu können. Sind sie zu warm, verlieren sie ihre wundervollen Aromen. Unser Vorteil beim Toskaner: Hier können wir den Jahrgang 2017 überhaupt schon probieren. Einen großen Bordeaux-Wein könnte man jetzt vielleicht im Jahrgang 2005 für sechs Stunden dekantieren. Also heute lieber die Toskana-Fraktion.
Das richtige Glas
Regel Nummer zwei: Das richtige Glas, um den vollen Genuss zu bekommen. Im Falle des Luce ein großes Bordeauxglas. Nur Banausen trinken solche Weine aus Wassergläsern. Ein wenig Kultur möchte schon sein.
Kaum ist der Luce im Glas, da entfaltet er auch schon seine tiefgründigen Aromen von Schwarzkirsche, Heidelbeere, Holunder, Kaffee und Röstaromen. Als die Frescobaldi und Mondavi in den 90er-Jahren Luce konzipierten, da hatten die Weine noch einen kalifornischen Anklang. Inzwischen ist Luce eindeutig toskanischer Adel, ein nobler Wein, der dennoch den Schmelz und die Süffigkeit des Merlot ins Glas bringt.
▶︎ Beachtet man ein paar einfache Grundregeln, so kann man sich mit solchen Weinen besondere Stunden verschaffen. André Macionga, Star-Sommelier beim Sternekoch Tim Raue, sagt mir: „Meistens macht ein exzellenter Gutswein Spaß. Manchmal aber lohnt es sich, einem Wein mit Respekt zu begegnen. Bei einem Wein, der strahlt, kann man sich fallen lassen. Das ist viel Geld wert.“
Top-Wein Nummer zwei an diesem Tag ist der 2016 Siepi. Ich erzähle meinem Weinguru Peter Siebenmorgen am Telefon von der Flasche, die ich geöffnet habe. Der sagt nur: „Groß, aber teuer.“ Der Siepi ist im Handel und kostet bei Collectors Wine World in Essen 79 Euro pro Flasche. Auch dieser Wein besteht aus Sangiovese und Merlot. Siepi kommt vom Weingut Mazzai, dort wird seit dem Jahr 1435 Wein angebaut. Also ein weiterer toskanischer Aristokrat.
Ähnlich wie Luce hat auch Siepi noch viele Jahre im Keller vor sich, aber da liegt halt der Vorteil der Toskaner: Er schmeckt nach einer Stunde kühl in der Dekantierkaraffe auch jetzt schon. Im Glas entfaltet Siepi Aromen von Holunder, Wacholder, Brombeere, Sandelholz und Nelke. Siepi ist dunkles, geheimnisvolles Zeug – ideal für ein Rendezvous mit einem Vampir aus dem Jahre 1435 oder einer tiefsinnigen Frau.
Es ist der Moment, der zählt
Für die beiden Titanen dieser Probe gilt: Beide haben Trinkfluss, im Gegensatz zu früheren Jahren, in denen Super-Toskaner dröhnend mächtig waren. Sommelier-Weltmeister Markus del Monego sagt mir: „Man muss diese Weine als Kunstwerk begreifen. Es ist der Moment, der zählt.“ Ich gestehe, dass ich die Probe dieser beiden Superweine zum Anlass genommen habe, um den dritten Enkel zu „begießen“. Und wenn diese Weine für besondere Gelegenheiten taugen, dann habe ich noch einen heißen Tipp von Markus del Monego: Spezielle Flaschen zu speziellen Anlässen kann man mit den Unterschriften der Gäste des Abends versehen und als Trophäen aufbewahren. Wir denken an Jean Paul: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“
Fazit: Dieser Luxus lohnt sich.
August 08, 2020 at 08:12PM
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Damit das Klotzen lohnt: So holen Sie das Beste aus teurem Rotwein - BILD
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