Dresden. Maria Kaiser steht vor der riesigen Vase. Schlag für Schlag bearbeitet die Steinbildhauerin mit Hammer und Meißel gerade die Unterseite. Hier musste ein Stück des Bodens durch eine sogenannte Vierung aus Reinhardtsdorfer Sandstein aus der Sächsischen Schweiz ersetzt werden. Dabei handelt es sich genau um das Material, aus dem die Vase besteht, erläutert die Kunsthandwerkerin der Zwingerbauhütte. Die 22-Jährige arbeitet jetzt an der Oberfläche des neu eingepassten Stücks. „Man braucht dabei ein großes Einfühlungsvermögen in die Formen“, nennt sie eine Besonderheit ihrer Arbeit.
Die über zwei Meter hohe Vase ist eine der 48 Skulpturen, die mit dem Kran vom Französischen Pavillon ausgehoben und in die nahegelegene Zwingerbauhütte gebracht wurden, berichtet Hüttenmeister Ralf Schmidt. Sie hatte zuvor auf dem Mittelgiebel an der Hofseite gestanden. Die Bogengalerie L und der Pavillon werden für die künftige Zwinger-Ausstellung ausgebaut. Derzeit stehen Gerüste am Französischen Pavillon. Sie sind mit einer Hülle verkleidet, die eine Hofansicht des Bauwerks zeigt.
2018 hatten die Arbeiten begonnen. Ulf Nickol ist froh, dass sie auch während der Coronakrise weitergeführt werden können. Er leitet die zuständige Niederlassung des Staatsbetriebes Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB). Zwar seien in den vergangenen Monaten manche Arbeiten langsamer voran gekommen, da Handwerker nicht zur Baustelle konnten oder Materiallieferungen sich verzögerten. „Es hätte aber schlimmer kommen können“, resümiert er
Derzeit werden die Sandstein-Fassaden des Pavillons saniert. Zuerst wurden sie überprüft, erläutert Nickol. Inspiziert wird, welche Bereiche verwittert oder ausgebrochen sind und wo Bewuchs aus Moos oder Algen am Sandstein ist. „Danach wird entscheiden, mit welchen Methoden wir vorgehen“, sagt er. Mit einer davon wird Salz aus dem Sandstein entfernt. Das stammt von einer Aktion zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Damals war die einstige Ölfarbe mit einem stark salzhaltigen Abbeizer entfernt worden. Außerdem waren Mörtel oder Zement sehr salzhaltig.
„Wir sind derzeit voll im Gange“, erklärt Hüttenmeister Schmidt. Das Salz wird mit Zellstoffkompressen entfernt, die mit reinem Wasser getränkt sind. Sie ziehen das Salz aus dem Stein. Vier bis sechs Wochen lang ist eine Runde, die erste ist abgeschlossen. „Danach haben wir überprüft, wie viel Salz die Kompressen aufgenommen haben“, sagt der Hüttenmeister. „Jetzt sind wir beim zweiten Zyklus am Französischen Pavillon.“ Nach der erneuten Salzmessung muss entscheiden werden, ob eine dritte Runde folgt.
Die ersten Skulpturen wurden 2018 abgebaut
Währenddessen restaurieren die Kunsthandwerker in der Zwingerbauhütte die Skulpturen. Von den 48 Kunstwerken müssen drei als Kopien neu hergestellt werden, da sie zu starke Schäden aufwiesen. Dabei handelt es sich um Knabenfiguren, sogenannten Putten. Die ersten Skulpturen wurden 2018 abgebaut. Die Restaurierung dauert etwa ein halbes Jahr, erklärt Diplom-Restaurator Frank Hoferick. Der 59-jährige Fachmann arbeitet bereits seit 1988 in der Zwingerbauhütte und hat mit seinen Kollegen etwa drei Viertel der 698 Zwinger-Skulpturen restauriert – und dabei schrittweise die Technologie zur Behandlung der Kunstwerke entwickelt.
In einem ersten Schritt wird dabei die Oberfläche der Skulptur gereinigt. Krusten werden mit dem Skalpell abgekratzt sowie Schmutz, Vogelkot und Flechten entfernt. Dann geht’s baden – allerdings in eine Wanne mit destilliertem Wasser. Bei der wochenlangen Prozedur werden Salze aus dem Sandstein gelöst. Bei größeren Skulpturen können es bis zu 2.000 Gramm sein. Später werden unter anderem verwitterte Stellen und Löcher mit Spezialmörtel so wiederhergestellt, bis die Oberfläche weitgehend ihre ursprüngliche Form hat.
Etwa 20 bereits restaurierte Skulpturen stehen im Arbeitsdepot der Zwingerbauhütte. „Jetzt bekommen sie noch eine Silikonharzlasur“, erläutert Restaurator Hoferick. Sie muss aber alle 15 bis 20 Jahre erneuert werden. Dadurch bleiben die Skulpturen so geschützt, dass sich ihre Lebenserwartung von 70 auf 150 Jahre erhöht.
Hofericks Kollege Clemens Modrakowski hat währenddessen eine andere Aufgabe. Der Steinbildhauermeister arbeitet an der Kopie eines kunstvoll gestalteten Sandstein-Brüstungsfeldes, das unter einem Fenster vorm Marmorsaal des Französischen Pavillons war. Das über 300 Jahre alte Originalteil stammt noch aus der Bauzeit des Zwingers. Es war jedoch zu stark beschädigt, um restauriert zu werden. Etwa zwei Monate dauert es, die Brüstungsplatte neu herzustellen. Die Arbeiten sind weit fortgeschritten. „Besonders kommt es darauf an, die Form exakt wieder herzustellen und die Oberfläche nicht zu grob zu bearbeiten“, erklärt der 34-jährige Fachmann. Schließlich soll die Kopie dem barocken Charakter des Originals entsprechen. „Wir hoffen, dass sie dann wieder 300 Jahre hält“, sagt SIB-Chef Nickol.
Die Räume für die Ausstellung „Zwinger Xperience“ sollen im November an Schlösserland Sachsen übergeben werden, steckt er den Zeitplan ab. Dann kann unter anderem die Beamertechnik für die audiovisuelle Projektion installiert werden. Ähnlich wie bei der Projektion in der Filmkuppel im Zwingerhof, die kürzlich abgebaut wurde, werden historische Ansichten, Pläne und „Luftschlösser“ mit moderner Technik zum Leben erweckt.
Die Fassaden-Sanierung am Französischen Pavillon soll allerdings noch bis zum kommenden Frühjahr dauern. Dann werden die restaurierten Skulpturen wieder am Kranarm an ihren alten Platz schweben. Geplant ist, dass noch im Frühjahr die Zwinger-Ausstellung öffnet. Einen genauen Zeitpunkt hat Schlösserland noch nicht genannt.
July 10, 2020 at 02:00PM
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48 Zwinger-Skulpturen auf einen Schlag - Sächsische Zeitung
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