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Friday, August 21, 2020

Eine Nabburgerin gegen Wirecard - Hildegard Bäumler-Hösl bearbeitet große Fälle - Onetz.de

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Oberstaatsanwaeltin Hildegard Bäumler-Hösl bearbeitet in München die großen Verfahren, aktuell zum Beispiel den Wirecard-Fall. Die 57-Jährige stammt aus Neusath bei Nabburg.

Bild: Sigi Jantz

Der Siemens-Korruptionsskandal, Bestechung bei der Bayern-LB und aktuell der Fall Wirecard. Diese Fälle landen alle auf dem Tisch von Hildegard Bäumler-Hösl. Die 57-Jährige, die aus Neusath bei Nabburg stammt, ist Oberstaatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft München I und Hauptabteilungsleiterin der Wirtschaftsstrafsachen. Eigentlich gebe sie keine Interviews, sagt Bäumler-Hösl vor dem Gespräch. Für ihre Heimatzeitung, bei der sie als Jugendliche ihr Taschengeld verdient hat, macht sie eine große Ausnahme. Die Juristin berichtet über ihre Karriere und ihren schönsten Fall.

ONETZ: Frau Bäumler-Hösl, wie wird man bei der Staatsanwaltschaft Expertin in Wirtschaftsstrafsachen?

Hildegard Bäumler-Hösl: In Bayern wechseln wir regelmäßig zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht. Ich war zunächst ein paar Jahre Staatsanwältin in München, dann war ich Richterin. Ich hatte das Glück, dass ich damals zu einer Wirtschaftsstrafkammer gekommen bin, die große Fälle verhandelt hat: Korruptionsdelikte, Steuerhinterziehungsfälle. Da habe ich wirklich Spaß auch an den dicken Verfahren gefunden.

ONETZ: Wie arbeitet man sich in solche Verfahren ein? Die Angeklagten sind ja Profis?

Wir sind auch Profis (lacht). Nach der Wirtschaftsstrafkammer bin ich 2004 als Gruppenleiterin zurück zur Staatsanwaltschaft. Das sind erfahrenere Kollegen, die auch dickere Verfahren bearbeiten können, Struktur reinbringen, intensiv mit der Polizei zusammenarbeiten. Man wächst in die Verfahren rein. Ich bin in die Korruptionsabteilung gekommen. Die war damals schon zehn Jahre alt, eine große Expertise war vorhanden. Wir haben auch ein spezialisiertes Kommissariat in München, K73, das ausschließlich Korruptionsdelikte bearbeitet.

ONETZ: Sie beschäftigen sich aktuell mit dem Wirecard-Fall. Arbeiten Sie alleine oder im Team?

Das bin ja nicht ich, die ermittelt. Das ist ein ganzes Team: zwei Gruppenleiter und vier Staatsanwälte, die derzeit ausschließlich Wirecard bearbeiten. Die Arbeit wird natürlich geteilt. Das schafft man alleine unmöglich.

ONETZ: Wie bereiten Sie sich auf diese großen Fälle vor?

Wir kennen Wirecard schon länger. Wir hatten eine erste Anzeige in dem Sachverhalt durch die Bafin und haben kurz danach durchsucht. Als der Absturz am Donnerstag, 18. Juni 2020, war, sind wir am Montag schon mit Haftbefehlen losgezogen.

ONETZ: Das heißt, Sie haben das Wochenende durchgearbeitet?

Würde ich jetzt nicht sagen. Wir sind am Montag in der Früh durch eine Ad-hoc-Mitteilung drauf aufmerksam gemacht worden, was bei der Wirecard passiert war: nämlich dass die Guthaben, die auf Treuhand-Konten liegen sollte, gar nicht vorhanden waren. Dann hatten wir einen dringenden Tatverdacht für die Begehung von Straftaten. Mein Gruppenleiter und ich haben uns in der Früh im Büro getroffen und er hat einen Haftbefehl formuliert.

So schätzt Wirtschaftsprüfer Michael Gschrei aus Teunz den Fall Wirecard ein

Teunz

ONETZ: Wirecard oder Siemens sind DAX-Konzerne mit Millionen-Budget für ihre Rechtsabteilung. Dagegen stehen oft unterbesetzte Staatsanwaltschaften. Ist ein solcher Rechtsstreit fair?

Wir sind personell ziemlich gut aufgestellt. Bei Siemens war das ähnlich. Das begann 2006, da waren wir zuerst zu zweit: ich als Gruppenleiterin und eine weitere Kollegin. Der Fall hat sich dann immer mehr ausgeweitet, es gab eine Vielzahl von Beschuldigten, eine Vielzahl von Komplexen und Bereichen der Siemens AG, die in die Korruptionsstraftaten verwickelt waren. Innerhalb eines halben Jahres waren wir dann sieben Leute. Wir hatten zum Beispiel auch das Verfahren Bayern-LB: Da hatten wir von Anfang an ein Team von Experten, die Ahnung von der Materie haben. Auch da waren wir relativ gut aufgestellt.

ONETZ: Was heißt es, dass Sie Mitarbeiter haben, die Ahnung von der Materie haben?

Mein Gruppenleiter hat beispielsweise eine Bankausbildung, meine Gruppenleiterin war vorher in der Finanzverwaltung. Schon als einfache Staatsanwälte arbeiteten sie in einer Wirtschaftsabteilung. Auch in ihrer Richtertätigkeit wurde dieses Spezialwissen genutzt, sie waren jeweils Mitglieder einer Wirtschaftsstrafkammer. Jetzt bei uns sind sie natürlich absolute Experten.

Ein Artikel über die Arbeit von Wirecard und die von der Manipulation betroffenen Unternehmen

Pleystein

ONETZ: Eine Zeitung hat Sie als „gefürchtetste Staatsanwältin der Republik“ bezeichnet. Sehen Sie sich auch so?

Nein, nein. Solche Äußerungen kommentiere ich nicht.

ONETZ: Sie haben sich mit dem Fall des Musikprofessors Siegfried Mauser beschäftigt. Wie kann es sein, dass ein rechtskräftig Verurteilter Monate nach dem Urteil noch immer nicht in Haft ist?

Ich antworte allgemein darauf: Wenn jemand seine Rechte in Anspruch nimmt, die Strafprozessordnung, das Strafgesetzbuch, damit leben wir. Selbstverständlich akzeptieren wir immer die Rechte der Beschuldigten.

ONETZ: Was war Ihr spektakulärster Fall, Ihr größter Erfolg?

Wir denken nicht in diesen Dimensionen: Was war unser größter Erfolg? Für mich das schönste Verfahren war das Verfahren gegen einen ehemaligen Vorstand der BayernLB. Er kam, ohne dass wir schon ein Verfahren hatten, von sich aus zu uns und hat geschildert, dass er ca. 50 Millionen Dollar aus einer bis dahin noch unbekannten Quelle erhalten hat. Uns hat er gesagt, er habe es von Formel-1-Manager Bernie Ecclestone. Letztlich hat sich herausgestellt: Er hat sich von Ecclestone bestechen lassen. Das war für uns von den Ermittlungen her ein kompaktes Verfahren, mit vielen internationalen Verwicklungen, was relativ schnell abgeschlossen war. Auch Siemens war natürlich hochinteressant, auch wegen der internationalen Verflechtungen. Wir hatten viele Kontakte mit ausländischen Staatsanwaltschaften. Wir haben intensiv mit den amerikanischen Behörden zusammengearbeitet, mit Österreich, der Schweiz, Italien. Das war auch ein wunderschönes Verfahren. Auch, weil wir viel dadurch bewirken konnten: Es hat sich, wie wir glauben, die Kultur in den Unternehmen in Deutschland verändert.

ONETZ: Und worüber ärgern Sie sich?

Wir leben mit allem. Wir haben bestimmte Umstände. Ärgern tun wir uns selten.

ONETZ: Fällt es Ihnen schwer, zum Beispiel gegenüber Freunden nicht über Ermittlungsergebnisse zu sprechen?

Nein, das ist eine Selbstverständlichkeit. Wir wissen viel, können aber nicht alles erzählen. Ich glaube, da geht es einem Arzt nicht anders.

ONETZ: Die Oberpfälzer gelten als Sturköpfe und Grantler. Kommen Ihnen diese Eigenschaften bei der Arbeit zugute?

Ich glaube nicht, dass das typisch Oberpfälzer Charakteristika sind. Wir sind schon ein bisschen hartnäckig, aber das gehört zu uns. Wir müssen kritisch nachfragen, wir wollen ja Sachverhalte aufgeklärt haben.

ONETZ: Kommen Sie noch ab und zu nach Nabburg?

Ich fahre noch regelmäßig nach Nabburg. Ich habe dort Familie und besuche sie regelmäßig.

Zur Person:

Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl

Hildegard Bäumler-Hösl stammt aus Neusath bei Nabburg (Kreis Schwandorf) und ist 57 Jahre alt. Sie hat am Nabburger Gymnasium, wie das Johann-Andreas-Schmeller-Gymnasium damals hieß, ihr Abitur abgelegt. Ihr Taschengeld verdiente sich Bäumler-Hösl durch das Austragen unserer Zeitung. Nach dem Abi studierte sie Jura an der Uni Passau.

Seit 1992 arbeitet sie bei der Staatsanwaltschaft, seit 2008 ist sie Oberstaatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft München I. Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit Wirtschaftsstrafsachen, ist Hauptabteilungsleiterin in diesem Ressort.

Die Juristin hat sich 2006 bis 2008 mit der Siemens-Korruptionsaffäre befasst, die zum Rücktritt von Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer und Vorstandschef Klaus Kleinfeld sowie einer Unternehmenssanktion von fast 600 Millionen Euro geführt hat. Auch bei den Ermittlungen gegen Gerhard Gribkowsky, ehemaliger Vorstand der Bayern-LB, war die Juristin aktiv. Ihm wurde Untreue, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Gribkowsky wurde zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Aktuell arbeitet Bäumler-Hösl am Wirecard-Fall.




August 21, 2020 at 11:14PM
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